Demonstration vor der Brauerei in Gotha

Oettinger-Beschäftigte wehren sich und erhalten Solidarität aus der Region und der Politik. Zur Unterstützung kamen Vertreter der Gewerkschaft NGG, der Oettinger-Betriebsräten aus Oettingen und Mönchengladbach. Mit dabei auch Linke-MdL Lena Güngör, Mitglieder des LINKE-Kreisvorstandes und unserer Stadtrats- und Kreistagsfraktion.

Hintergrundinformationen zur geplanten Schließung des Gothaer Standortes der Oettinger Brauerei

Hinweis: Dies ist keine offizielle Pressemeldung des DIE LINKE. Kreisvorstandes. Informationen Dritter an den Verfasser konnten zumeist nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Der Inhalt soll jedoch dazu dienen, soweit möglich Hintergründe zum Sachverhalt aufzuhellen und damit der Belegschaft von Oettinger Gotha im Kampf um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu helfen.

Am 08. Juni fand Frühs eine Betriebsversammlung bei Oettinger Gotha statt, wo die Belegschaft über die Pläne des Managements zur Schließung des Gothaer Standortes zum Ende des Jahres informiert wurden. Für die Beschäftigten kam das überraschend, der Betriebsrat hatte eine Woche vorher erste Informationen. Ca. 200 nach Tarif bezahlte Mitarbeiter in Produktion und Verwaltung würden ihren Arbeitsplatz verlieren, verbleiben sollen vorerst nur die 24 Mitarbeiter in der Architektenabteilung und im Telefonvertrieb. Die Mehrweg-Flaschenbierproduktion will Oettinger insgesamt einstellen, die Dosenbieranlage in Gotha wird demontiert und nach Mönchengladbach verlagert,

In den ersten Tagen nach dem 08. Juni gab es erwartungsgemäß eine sehr umfangreiche Berichter-stattung der Presse, des MDR und Oscar TV sowie Diskussionen in den Sozialen Medien. OB Kreuch soll bereits erste Gespräche mit regionalen Unternehmen geführt haben, der Gothaer Gewerbe-verein äußerte großes Verständnis für die Entscheidung, die Brauerei in Gotha zu schließen und kritisierte, ohne Namen zu nennen, Kritik daran aus „der Politik“ in Erfurt. CDU-Kreisvorsitzender Hans-Georg Creutzburg forderte gar, die Landesregierung solle über ihren Schatten springen und Fördermittel für die Dosenbierproduktion bereitstellen, um den Standort zu sichern. Übergreifend bedauert wurde die geplante Schließung, weil damit ein über viele Jahre lang sehr wichtiger Sponsor und Partner der Stadt Gotha und ihrer Vereine wegbrechen wird.

Unter Vermittlung von Bodo Ramelow wurde ein Treffen von MdL Sascha Bilay mit dem Gothaer Be-triebsrat von Oettinger verabredet. Dies fand am 13.06. statt. Daran nahmen neben Sascha Bilay auch Bernd Fundheller (Vorsitzender Stadtratsfraktion und Wahlkreismitarbeiter) und Harald Roth (DIE LINKE. Kreisvorstand) teil, dazu Volker Ackermann (Betriebsratsvorsitzender Gotha), Jens Ackermann (Betriebsrat Gotha und stellv. Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates Oettinger), Jens Löbel (Regionalgeschäftsführer der Gewerkschaft NGG) und Elisa Rabe (NGG). Für den 14.06. ist ein Gespräch des Gothaer Betriebsrates, OB Kreuch und Landrat Eckert mit Wirtschaftsminister Tiefensee geplant.

Bis dahin gab es seitens des Unternehmens keine Aussagen zu einem Sozialplan oder Abfindungsre-gelungen. Das Management hatte nicht einmal im Blick, dass viele ältere Mitarbeiter sieben Monate Kündigungsfrist haben und damit eine Schließung zum 31.12.22 gar nicht normal machbar wäre.

Das weitere Verfahren liegt anscheinend auch nicht mehr in der Hand von Pia Kollmar, der Schwester von Dirk Kollmar und seit April 2020 Geschäftsführerin für Finanzen, Controlling, IT und Logistik. Der Konzern hat auf Wunsch der Banken eine Beraterfirma beauftragt, welche auch alleiniger Ansprech-partner des Betriebsrates sein soll. Der Betriebsrat zweifelt die betriebswirtschaftliche Expertise des vorgelegten Gutachtens an, schon allein, weil ihm von 171 Seiten Gutachten nur 20 Seiten zur Ver-fügung gestellt wurden. Er hat jetzt eine eigene Beraterfirma beauftragt, ein Gegengutachten zu er-stellen. Das Unternehmen will dazu die betriebswirtschaftlichen Zahlen zur Verfügung stellen. Es sollen aber auch subjektive Gründe (Haß auf Gotha und kein Interesse, das Erbe von Dirk Kollmar zu bewahren) eine Rolle mitspielen

ZIEL von Oettinger im April 2020:

Zielsetzung für die kommenden Jahre sei eine noch stärkere Etablierung als Vollsortimenter für Biere, Biermixe und alkoholfreie Getränke. Dabei soll an den vier Standorten in Oettingen, Gotha, Mön-chengladbach und Braunschweig nach wie vor nachhaltig und effizient Bier gebraut sowie an der firmeneigenen Logistik festgehalten werden, heißt es.

Produktion und Markt

Der Biermarkt ist seit 2021 deutschlandweit rückläufig, Oettinger konnte dank Dirk Kollmars Weit-sicht über weiterhin gut laufende Exportbierverträge gegensteuern, allerdings laufen Exportverträge hier immer nur ein Jahr.

Dosenbier hat geringe Margen im Verkauf und man ist bei den Handelsketten schnell austauschbar

Im Flaschenbierverkauf gibt es einen Preiskampf, Premiumhersteller drängen mit Aktionsangeboten in den Bereich der „Normalbier“-Anbieter

Kleinere Thüringer Brauereien (200.000 Hektoliter/Jahr) sind relativ stabil, die Köstritzer Brauerei hat auch wirtschaftliche Probleme im Mehrwegbereich, hält aber an der Mehrwegproduktion fest

Gotha arbeitet aktuell unter Volllast und die Mitarbeiter sollen auch Samstag abreiten, was allerdings nun beginnend von den Mitarbeitern abgelehnt wird; allerdings ist jetzt auch Hauptsaison für Brauer

Gotha braucht als Standort eine Produktion von 1 Mio. Hektoliter Bier, um wirtschaftlich zu bleiben; eine Weiterführung deutlich weniger Hektolitern und nicht kontinuierlich täglichem Bierbrauen kann sich der Betriebsrat für Gotha technisch nicht vorstellen

Ein Ausbau der Dosenbierproduktion ist in Gotha schlicht unmöglich, da schon der Platz für eine zweite Anlage fehlt

 

Betriebswirtschaftliche Situation / Managementfehler

Betriebswirtschaftliche Zahlen aus öffentlich zugänglichen Quellen bis zum Jahr 2020 sind am Schluß angehangen, für 2021 liegt auch dem Betriebsrat noch kein Jahresabschluss vor

Gotha hat 2020 – anders als das Unternehmen behauptet - insgesamt rentabel gearbeitet, in 2021 allerdings nicht mehr; andere Oettinger-Standorte waren aber 2021 auch nicht rentabel

Oettinger bezahlt Tariflöhne, allerdings haben die Gothaer mit 39 Stunden die höchste Wochenar-beitszeit im Konzern, die Weststandorte sind bei 37 bis 38 Stunden/Woche

In der Kalkulation bei Dosenbier liegt Gotha etwa bei den Werten anderer Oettinger-Standorte

Die 2015 gebaute Flaschensortieranlage (Betrieb verpachtet) belastet mit ihren hohen Kosten die Kalkulation des Gothaer Standortes; ein Problem liegt auch in den vielen unterschiedlichen Bier-flaschentypen am Markt – es kommt nicht genug Leergut zurück, um die Produktion anzukurbeln

Nach dem Tod von Dirk Kollmar 2014 gab es im gehobenen Management des Konzerns häufige Wechsel und nicht die erforderliche Konstanz, es gibt Zweifel, ob Pia Kollmar den Konzern so gut wie vorher ihr Bruder führen kann

Nach der Streichung des Außendienstes im Biermarketing gab es einen deutlichen Einbruch im Mehrweg-Umsatz an Bier; dies hatte der Betriebsrat kritisiert – das Unternehmen blieb dabei

Es wurde versäumt, z.B. mit der Etablierung einer Regionalmarke, so wie das andere Brauereien getan haben, eine bessere Verankerung in Nordost und damit mehr Umsatz zu erreichen

Für eine langfristiger angelegte Sanierung des Konzerns sollten Rücklagen vorhanden sein, das Unternehmen ist im Kern gesund und handlungsfähig

 

Oettinger heute und Dirk Kollmar

Viele Aussenstehende identifizieren Oettinger in 2022 noch mit Dirk Kollmar, welcher am 03.05.2014 leider viel zu früh verstorben ist. Die Bezahlung nach Tariflohn, ein Betriebskindergarten, Bundesliga-Basketball und das Sponsoring vieler Veranstaltungen und Vereine in Gotha und Landkreis sind wie-ter in guter Erinnerung und dafür gehört ihm auch weiterhin Dankbarkeit und Respekt. Erwirtschaft haben das natürlich die Oettinger – Beschäftigten. Patron für den Dirk Kollmar – Preis des Gothaer Gewerbevereins ist jedoch seine Witwe Astrid und ihr Sohn Dennis und anscheinend nicht der bayrische Zweig der Familie Kollmar. Auch scheint – so der Betriebsrat - die Erinnerung an Dirk Kollmar nur noch in Gotha, nicht aber am Stammsitz hochgehalten zu werden. Dort soll fast nichts mehr an Dirk Kollmar erinnern, weil seine Schwester Pia es nicht verwunden haben soll, dass ihr Vater das Unternehmen in die Hände seines Sohnes und nicht seiner Tochter gegeben hat.